Projektziel
In betrieblichen Experimentierräumen wollte das Projekt AgilKom Lösungen entwickeln, mit denen die öffentliche Verwaltung die technologischen und organisationalen Veränderungsprozesse bewältigen und für sich nutzen kann. Ziel war es, flexibler, effizienter und bürgernäher zu arbeiten – durch agile Strukturen. Außerdem sollte das Förderprojekt Erkenntnisse liefern, welche zentralen Prinzipien der agilen Organisation auf den öffentlichen Sektor übertragen werden können.
Arbeitsweise
Bei zwei kommunalen Partner*innen – der Stadt Essen und dem Kreis Soest – wurden Experimentierräume („Innovationslabs“) eingerichtet. Dort wurde in interdisziplinären, hierarchie- und organisationsübergreifenden Teams gearbeitet, die ein Ausprobieren und neue Arbeitskonstellationen ermöglichten. Dabei wurden agile Methoden eingesetzt und angepasst, die in anderen Kontexten bereits empirisch erforscht und erfolgreich angewendet wurden, z. B. Design Thinking, konstruktive Kontroverse, Szenariomethoden oder Zukunftswerkstätten.
Steckbrief
Projektleiter*in:
- FOM Hochschule für Ökonomie & Management gemeinnützige Gesellschaft mbH, Essen, ifpm Institut für Public Management
Wissenschaftliche Projektpartner*in:
- Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut I – Bildung, Beruf und Medien, Magdeburg
Projektpartner*innen aus der Praxis:
- Kreis Soest und Personalrat des Kreises Soest, Soest
- Stadt Essen und Personalrat der Stadt Essen, Essen
- Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Berlin
- Deutscher Landkreistag, Dezernat II, Berlin
Projektlaufzeit:
01.11.2018 – 31.01.2022
Projektwebsite:
Entwicklungen seit Projektabschluss:
Erste Projektphase: Herausforderungen im öffentlichen Sektor
Zum Projektauftakt wurde analysiert, mit welchen Herausforderungen öffentliche Verwaltungen durch den digitalen Wandel konfrontiert sind. Am Beispiel der Digitalisierungspläne der beteiligten Kommunen, Stadt Essen und Kreis Soest, zeigten sich dabei mehrere Themen wie die Digitalisierung von Serviceleistungen für Bürger*innen, die Pilotierung neuer Zugangssysteme zum öffentlichen Personennahverkehr, die Bereitstellung von Open-Data-Plattformen oder die Implementierung der E-Akte. Da in einzelnen (Teil-)Projekten agile Methoden eingesetzt werden, wurden zuerst Methoden-Workshops zu agilen Arbeitsformen (z. B. Design Thinking) durchgeführt. Darüber hinaus wurde die partizipative Erarbeitung eines neuen Führungskonzepts mit Elementen der agilen Führung als ein künftiger Schwerpunkt festgelegt.
Zweite Projektphase: Projektauswahl für die Experimentierräume
In verschiedenen Workshops wurden geeignete Projekte beim Kreis Soest und in der Stadt Essen identifiziert, die in den Experimentierräumen als Prototypen bearbeitet werden sollen. Die Stadt Essen wählte einen Teilprozess im Rahmen der Entwicklung eines digitalen Serviceportals aus. Der Kreis Soest identifizierte mehrere Teilprojekte, u. a. im Bereich der Arbeitsorganisation und des Personalmanagements. Außerdem wurde in der zweiten Projektphase eine „Innovationsellipse“ eingeführt: In Workshops kommen die Beteiligten aus Verwaltungspraxis und Wissenschaft zusammen, um gemeinsam innovative Ideen zu diskutieren. Die erste Innovationsellipse fand Ende November 2019 am FOM-Hochschulzentrum in Essen statt. Neben Projektträger*in und den Projektpartner*innen waren auch Vertreter*innen der Städte Bremen, Freiburg und Magdeburg, des Bundesverwaltungsamtes, des Erzbistums Köln sowie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) vor Ort. Im Fokus stand die Frage, welche Erfahrungen öffentliche Organisationen beim Einsatz agiler Arbeitsformen und Methoden gesammelt haben und welche Erkenntnisse für andere Verwaltungen abgeleitet werden können.
Dritte Projektphase: erste Praxiserfahrungen mit agilen Methoden
In Methoden-Workshops für verschiedene Abteilungen des Kreises Soest und der Stadt Essen begann das praktische agile Arbeiten: Mit der Kanban-Methode wurden die Arbeitsschritte an einem physischen Board oder mit einem digitalen Tool geclustert („to do“, „doing“, „done“) dargestellt. Das schafft Transparenz und hilft, Arbeitsaufgaben in einem planbaren Tempo abzuarbeiten sowie Arbeitsprozesse kritisch zu hinterfragen. Beim Einsatz der Design-Thinking-Methode hat sich gezeigt, dass sich damit Verwaltungsprozesse interdisziplinärer gestalten und die Perspektive der Bürger*innen stärker berücksichtigen lässt. Die Praxispartner*innen analysierten daher einzelne Kundenkontaktpunkte, z. B. auf der Homepage der Verwaltung, über das Serviceportal oder als direkter Kontakt mit den Sachbearbeiter*innen im Bürgeramt. So wurde untersucht, welche Bedürfnisse die Kund*innen haben, aber auch welche Ansprüche die Mitarbeiter*innen an die Verwaltungsprozesse stellen.
Vierte Projektphase: Zwischenbilanz und aktueller Fokus
Für die Teilnehmer*innen des INQA-Experimentierraums AgilKom waren die vergangenen Wochen und Monate herausfordernd – schließlich mussten sie in den öffentlichen Verwaltungen innerhalb kurzer Zeit organisatorische und technische Herausforderungen meistern – ausgelöst durch die Corona-Pandemie. Die Lösungen waren zum Beispiel neue Strukturen für mobiles Arbeiten, Instrumente für die digitale Zusammenarbeit sowie virtuelle Alternativen für bereits geplante Aktivitäten. Die neuen Maßnahmen und Möglichkeiten weckten das Interesse an den Themen „Agilität“ und „Digitalisierung“ in öffentlichen Verwaltungen – das zeigte sich auch im Rahmen der Methodenworkshops. Teilnehmende aus unterschiedlichen Bereichen waren sich einig: Die Einstellung gegenüber agilen Arbeitsweisen hat sich nachhaltig geändert und die methodischen Kompetenzen der Beschäftigten im Arbeitsalltag haben sich gestärkt. Ebenfalls auf der Agenda der Workshops standen die Themen „Führung“ und „Fehlerkultur“. Das Resümee des umfänglichen Austausches: Agiles Arbeiten erfordert nicht nur ein „agiles Mindset“ der Mitarbeitenden und Führungskräfte, sondern auch eine „positive Fehler- und Lernkultur“ innerhalb der Organisation – verbunden mit einem sich ändernden Verständnis von Führung und Führungskultur.
Neue Erkenntnisse gab es auch im Rahmen der AgilKom-Session auf der virtuellen Frühjahrskonferenz des „Forum Agile Verwaltung“. Die Diskussion der Teilnehmenden zeigte, dass sie Führung in Abhängigkeit der Führungsebene ganz unterschiedlich erleben. Von den Führungskräften werde zunehmend ein Vorbildverhalten sowie die Bereitschaft erwartet, gemeinsame Arbeitsweisen kritisch zu hinterfragen und neue Wege zuzulassen, so das Ergebnis der Session. Den Blogbeitrag zur Veranstaltung finden Sie auf der Projektwebsite.
Im Projekt AgilKom wurde bereits eine Handlungsempfehlung für das agile Instrument der Retrospektive erarbeitet. Damit sollen Führungskräfte zum Beispiel die Erfahrungen mit neuen Arbeitsweisen während einer Krise oder nach einzelnen Projektphasen systematisch reflektieren können. Im weiteren Projektverlauf wurden die aktuellen Themen weiter aufgegriffen und schrittweise in einer praxisnahen Handlungshilfe speziell für agiles Arbeiten in der öffentlichen Verwaltung zusammengestellt.
„AgilKom“-Handlungshilfe
Auf der Projektwebsite finden Sie die aktuelle „AgilKom“-Handlungshilfe: "Agilität in der öffentlichen Verwaltung. Wege zur Anwendung agiler Arbeitsweisen."