Weniger Arbeitsdruck durch mehr Autonomie – dieses Prinzip steht hinter dem Schlagwort Partizipative Dienstplangestaltung. Die Idee: Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, erhalten mehr Mitsprache bei der Planung ihrer Arbeitszeiten und können so ihr Berufs- und Privatleben besser in Einklang bringen. Verbindlichkeit der Pläne, die Möglichkeit eines Diensttausches, Sichtbarkeit, zeitlicher Vorlauf und Benutzerfreundlichkeit – das sind vier wichtige Aspekte, die ein Dienstplanangebot für Mitarbeitende attraktiv machen.
Natürlich steigt dadurch auch die Attraktivität des Arbeitgebers – vor dem Hintergrund des steigenden Fachkräftebedarfs kein unwichtiger Punkt. Insbesondere im Bereich der Pflege ist beteiligungsorientierte Dienstplangestaltung daher aktuell ein vieldiskutiertes Thema. Aber auch im Öffentlichen Nahverkehr spielt es eine Rolle, denn auch dort wird im Schichtdienst gearbeitet. „Wir wünschen uns mehr Freiräume und mehr Mitsprache“, sagt zum Beispiel Jens Zocher, der seit 30 Jahren in Leipzig als Straßenbahnfahrer tätig ist.
Wünsche äußern – und realistisch bleiben
Pünktlich und verlässlich soll der öffentliche Nahverkehr durch die Straßen und über die Schienen Leipzigs rollen. Als Leiterin Personaleinsatz trägt Simone Merkel Mitverantwortung dafür, dass dies auch gelingt. „Mein Bereich sorgt dafür, dass unsere 1200 Fahrenden immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind“, erklärt sie, und fügt hinzu: „Das ist allerdings nicht immer einfach, denn die Dienstplangestaltung ist im ÖPNV sehr komplex. Ich sag immer: Mit der eines Supermarktes lässt sich das nicht vergleichen.“
Von partizipativer Dienstplangestaltung spricht sie daher auch nicht so gerne: „Total partizipativ kann das bei uns nicht sein. Denn wenn jede und jeder sich immer seinen Lieblingsdienst nimmt, dann bleiben automatisch welche übrig – und dann steht der Verkehr teilweise still.“
Familienfreundlich und bedürfnisorientiert
Mitsprache ermöglichen und auf Wünsche Rücksicht nehmen, das sei jedoch wichtig und werde bei den LVB bereits praktiziert, künftig auch noch mehr als bisher. Dabei helfen die Ideen, die das Team des INQA-Experimentierraums MADAM (Mobile Arbeit wird Digital – Digitale Arbeit Mobil) entwickelt hat und die nun in das neue Projekt MoDa (Mitarbeiterorientiertes Dienstplanangebot) mit einfließen. So hatten Befragungen zum Beispiel ergeben, dass sich die Fahrenden bei der Eingabe ihrer Dienstwünsche mehr Auswahlmöglichkeiten und Kategorien wünschen. Flexibilität ermöglichen die LVB bereits jetzt Mitarbeitenden mit besonderen Bedürfnissen, wie alleinerziehenden Müttern und Vätern, die aufgrund der Kinderbetreuung nur in bestimmten Zeitfenstern arbeiten können, aber auch für Mitarbeiter*innen, die aus gesundheitlichen Gründen Einschränkungen haben. „Deren Dienste, jeden Tag etwa 60 Stück, planen wir vor, bevor es dann an die große Masse geht.“
Von festen Plänen über ein flexibles Schichtsystem zum Dienstpool
Anders als früher, als es ein festes Schichtsystem von früh bis spät gab, durch das die Fahrer*innen nach Plan rotierten, existiert heute ein flexibles Gefüge. Dieses gliedert sich in viele verschiedene Profile: Ein Frühprofil geht zum Beispiel von drei Uhr morgens bis 15 Uhr, das so genannte Beamtenprofil von fünf bis 17 Uhr und das Spätprofil von elf bis 23 Uhr. „Die Fahrenden geben ein Wunschprofil an und erhalten zu 85 Prozent eine Schicht in diesem Zeitfenster“, erklärt Merkel. Aktuell arbeitet das MoDa-Team an einer Weiterentwicklung: „Unser Ziel ist es, dass sie sich ihre Dienste langfristig selbst nehmen können. Das soll letztlich wie bei den bekannten Streamingdiensten laufen: Das System merkt sich, was ich mag und schlägt mir etwas ähnliches vor, in unserem Fall also Dienste, die ich in der Vergangenheit besonders oft ausgewählt habe.“
Der Dienstpool – ein zeitgemäßes Tool in der modernen Arbeitswelt
Im September startet dazu die erste Stufe – der Dienstpool: Dort sehen die Mitarbeitenden die vorhandenen Dienste und können ihre Wünsche eintragen.
„Die Fahrenden haben alle persönliche Interessen, die sich auch mal ändern können, zum Beispiel wenn ein Arzttermin ansteht“, resümiert Merkel. Hinzu käme, dass sich die Bedürfnisse und Ansprüche generell geändert haben: „Der Wunsch, Arbeit und Familie besser miteinander zu verbinden, gewinnt immer mehr an Stellenwert. Und auch Menschen ohne Kinder möchten ihre Freizeit optimal nutzen. Das sehen wir auch beim Thema Teilzeit: Immer mehr Beschäftigte reduzieren ihre Arbeitszeit, um mehr Freizeit, mehr Erholungsphasen zu haben. Da muss sich die Arbeitswelt anpassen.“ Bei der Eingabe der Wunschprofile – und demnächst auch bei der Umsetzung des Dienstpools – hilft „Meggie“, ein Tablet, das seit 2016 zur Ausstattung der Fahrer*innen gehört. Mittlerweile ist die zweite Generation im Einsatz. Auf den Geräten befinden sich alle Dienstpläne, die Fahrenden können darüber aber auch Unfälle oder Fundstücke melden.
Vorreiter für andere kommunale Unternehmen
Von der Arbeit der Leipziger Verkehrsbetriebe im Rahmen des INQA-Experimentierraums MADAM und dem Folgeprojekt MoDa werden künftig auch andere Unternehmen profitieren: „Wir sind bei diesem Thema Vorreiter“, freut sich Merkel.
„Bochum, Trier und andere städtische Verkehrsunternehmen haben schon Interesse signalisiert und uns mitgeteilt, dass sie auf unsere Ergebnisse gespannt sind.“ Die sie dann natürlich auch bekommen werden, denn, so Merkel: „Als ÖPNV stehen wir nicht in Konkurrenz und gehen sehr offen mit diesen Themen um. So können wir uns alle gemeinsam verbessern.“
Weitere Informationen und Hinweise zum Thema MADAM finden sich auf der Projektseite sowie auf dem MADAM-Wegweiser.