Führen in Teilzeit wird zunehmend zum Thema, wenn auch langsam. Denn Chef*in zu sein, darunter verstehen viele immer noch: als erste Person morgens mit der Arbeit anfangen und sie als letzte beenden. Allzu lange wurde Leistungsfähigkeit mit Präsenz und Erreichbarkeit gleichgesetzt. Doch das Bild wandelt sich – spätestens durch die Erfahrungen der Coronavirus-Pandemie. Immer mehr Beschäftigte, auch im Management, wollen flexibler arbeiten, mehr Zeit für Familie und Privatleben haben, Anwesenheit ist nicht mehr das Maß aller Dinge. Gleichzeitig gilt immer noch, dass Frauen häufiger in Teilzeit tätig sind, was ihnen den Weg in Führungspositionen zusätzlich erschwert. Dabei gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, der auch für Führungskräfte gilt. Eine wachsende Zahl von Unternehmen und Organisationen denkt deshalb um und eröffnet den Mitarbeitenden mit Führung in Teilzeit neue Entwicklungspfade. So auch die AOK Baden-Württemberg.
Karriere in Teilzeit: bessere Aufstiegschancen für Frauen
Um den Wünschen der Beschäftigten nach einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie nachzukommen und der Realität der Teilzeitarbeit Rechnung zu tragen, startete die AOK Baden-Württemberg 2014 das Projekt „Karriere in Teilzeit“. Das Ziel: die Teilzeitbeschäftigten in ihrer beruflichen Entwicklung zu stärken, vor allem aber die Aufstiegschancen für Frauen zu verbessern. Denn mit einem Frauenanteil von über 75 Prozent ist die Belegschaft zwar weitgehend weiblich. Auf der Führungsebene waren Frauen mit nur ca. 30 Prozent jedoch deutlich unterrepräsentiert. Der Anteil von Führungskräften in Teilzeit lag bei nur acht Prozent. Das Experiment „Karriere in Teilzeit“ – es hat zu Erfolgen geführt und alte Muster ein Stück weit aufgebrochen. Seit 2014 ist der Anteil weiblicher Führungskräfte bei der AOK Baden-Württemberg kontinuierlich gestiegen und lag Anfang 2021 bereits bei 44 Prozent. Der Anteil von Führungskräften in Teilzeit stieg auf 14,5 Prozent.
Welche Instrumente helfen bei Führung in Teilzeit?
Führung in Teilzeit kommt nicht von allein, sondern braucht Unterstützung und Rahmenbedingungen. Um die Belegschaft von dem neuen Konzept zu überzeugen und Karriere in Teilzeit praktisch umzusetzen, setzte die AOK Baden-Württemberg auf folgende Instrumente:
Ob in der Mitarbeiterzeitung, den Personalentwicklungsgesprächen oder durch klare Bekenntnisse des Vorstands auf Veranstaltungen: Das Projekt wird aktiv beworben. Positive Beispiele werden hervorgehoben, um die Beschäftigten zu ermuntern, sich auf Führungspositionen auch in Teilzeit zu bewerben.
Es braucht individuelle Lösungen, die zur familiären und persönlichen Situation der Beschäftigten passen. So bleiben z. B. Führungsaufgaben in der Regel bei der Führungskraft, während fachliche Aufgaben stärker delegiert werden.
Führung in Teilzeit verlangt ein hohes Maß an Flexibilität und Eigenverantwortung. Flexible Arbeitszeitmodelle wie Jobsharing und mobiles Arbeiten, aber auch Beratungsangebote sind eine gute Ergänzung.
Um die Chancengleichheit für Frauen zu fördern, wurde zudem eine gendergerechte Veränderung der Auswahlverfahren zum internen Studium sowie für Führungsaufgaben durchgeführt.
INQA-Toolbox: Jobsharing
Jobsharing, auch Arbeitsplatzteilung genannt, ist ein Arbeitszeitmodell, in dem sich zwei Personen eine Stelle teilen und gemeinsame Verantwortung für ihren Arbeitsbereich tragen. Die Aufgaben werden entweder zusammen erledigt oder aufgeteilt. Oft hat die Stelle einen Umfang von mehr als 100 Prozent, sodass notwendige Abstimmungen und Übergaben abgedeckt werden.