Der demografische Wandel unserer Gesellschaft ist eine der großen Herausforderungen der Gegenwart. Zwar ist die stetige Steigerung der durchschnittlichen Lebenserwartung der Menschen sehr erfreulich, jedoch bedarf es neuer Konzepte zum Umgang mit einer älter werdenden Bevölkerung. Somit steht der demografische Wandel durchaus gleichrangig neben Zielen wie der Digitalisierung und der Notwendigkeit einer nachhaltigen, klimaschonenden Wirtschaftsweise. Im Kontext der Systeme der sozialen Sicherung, zum Beispiel der Rentenversicherung, wird seit Jahren über die sich aus demografischen Veränderungen ergebenden Anforderungen intensiv und oft auch kontrovers diskutiert. Doch in der Arbeitswelt hat das Thema längst nicht die Aufmerksamkeit, die ihm gebührt.
Der Gewissheit des demografischen Wandels kann sich kein Betrieb entziehen
Alternde Belegschaften rücken bislang noch zu wenig in den Fokus der Arbeitgeber*innen im Betrieb. Dabei geht es keineswegs darum, erst gegen Ende des Erwerbslebens eines Beschäftigten bessere Einsatzmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen herzustellen. Vielmehr muss vorausschauend agiert werden: eben nicht nur altersgerecht, sondern alternsgerecht. Das verschiebt den Handlungsrahmen nach vorne und schließt auch die Arbeitsphasen im jüngeren Lebensalter ein. Solch eine nachhaltige Perspektive steht vielfach jedoch im – zumindest latenten – Widerspruch zu dem eher kurzfristig angelegten Wirtschaftlichkeitsdenken in Unternehmen. Diesen Gegensatz gilt es zu überwinden.
Denn der Gewissheit des demografischen Wandels werden sich personalpolitische Entscheider*innen immer weniger entziehen können. Ebenso darf es bei der Bewältigung des demografischen Wandels in der Arbeitswelt nicht um kompensatorische Maßnahmen gehen, sondern um gestaltende und ganzheitliche Ansätze.
Ermunternde Konzepte machen Hoffnung und können Vorbild und Anregung sein
Klar ist, dass die Verbesserung und die Erhaltung der Erwerbsfähigkeit über alle Erwerbsjahre hinweg kein allein sozialpolitisches oder gesundheitspolitisches Thema ist.
Es geht vielmehr um einen ganzheitlichen arbeitspolitischen Gestaltungsansatz, der von der technischen und ergonomischen Gestaltung des Arbeitsplatzes über die Leistungspolitik bis hin zum vorausschauenden Gesundheitsmanagement beinahe die gesamte Bandbreite der betrieblichen Handlungsfelder umfasst. Die Publikation „Kein Stress mit dem Stress – Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit im demografischen Wandel erhalten und fördern – Ein Leitfaden für die betriebliche Interessenvertretung“ zeigt, dass es inzwischen erfreulich viele ermunternde Konzepte gibt. Sie können Vorbild und Anregung für Betriebs- und Personalräte oder gewerkschaftlich Aktive sein.
Die Gestaltung des demografischen Wandels angehen: drei praktische Tipps aus dem psyGA-Leitfaden „Kein Stress mit dem Stress“
Die Digitalisierung ist ein wichtiger Prozess, die (fast) jeden Betrieb betrifft. Ganz wichtig ist: Nehmen Sie dabei Ihre Beschäftigten mit! Deren Qualifizierung sollte umfassend sein und mehr bieten als eine kurze Schulung im Gebrauch der digitalen Technologien. Im besten Fall vermittelt sie ein grundlegendes Verständnis der digitalen Prozesse. Ältere Beschäftigte sollten in diese Qualifizierungen unbedingt miteinbezogen werden. Teams, die von Digitalisierung betroffen sind, sollten altersdivers und nicht von Jüngeren dominiert sein.
Prinzipiell ermöglichen solche Arbeitszeitformen gesundes Altern, welche die Dauer der Arbeitszeit begrenzen (Arbeitszeitverkürzung), transparent und vorhersehbar sind, viel Selbstbestimmung bei der Zeitverteilung (auch der Arbeitspausen) bieten, aufgrund realistischer Zielbildung Mehrarbeit begrenzen, im Falle von Mehrarbeit kurze Ausgleichszeiträume vorsehen, längere Auszeiten für Weiterbildung, Familienarbeit und für Erholung zulassen und langjährige Schicht- und Nachtarbeit vermeiden.
Das Tagesgeschäft ist wichtig. Genauso wichtig ist es jedoch, die Zukunft im Blick zu behalten und gut zu planen. Folgende Fragen können dabei helfen: Existiert im Betrieb eine Personalplanung und welche Zeiträume umfasst sie? Gibt es eine Altersstrukturanalyse und was sagt sie über die Alterszusammensetzung der Belegschaft aus? Gibt es Ansätze einer langfristigen Laufbahngestaltung und Überlegungen hinsichtlich der Arbeitsrollen für Ältere? Finden Qualifizierungs-, Personalentwicklungs- oder Zukunftsgespräche statt? Versucht das Unternehmen, den Berufsaustritt durch Maßnahmen des Wissenstransfers zu organisieren?
*Mathias Möreke ist im August 2024 verstorben. Seit 2019 hat er als einer von vier Botschafter*innen die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) vertreten.