Frau Biefang, wie offen reagieren Unternehmen auf Mitarbeitende, die sich als trans* outen?
Ich glaube, dass unsere Gesellschaft dafür in den letzten Jahren schon deutlich offener geworden ist. Das bekommen wir bei der Arbeit mit, die wir bei QueerBW machen, hören es von anderen Netzwerken und auch in Studien lässt es sich nachlesen. Trotzdem ist das Thema Transidentität / Transgeschlechtlichkeit noch immer ein schwieriges.
Was meinen Sie damit konkret?
Viele Menschen sind mit dem Thema noch nicht persönlich in Berührung gekommen und verstehen nicht, was da so alles dranhängt. Ich habe festgestellt: Nicht nur ich habe eine Transition gemacht, sondern auch mein gesamtes Umfeld!
Was versteht man in diesem Kontext unter dem Begriff Transition?
Den Prozess, in dem eine Person soziale, körperliche und / oder juristische Änderungen vornimmt, um die eigene Geschlechtsidentität auszudrücken. Dazu können – müssen aber nicht – Hormontherapien und / oder Operationen gehören, aber auch Namens- und Personenstandsänderungen oder ein anderer Kleidungsstil. Jede Transition ist individuell. Gleichzeitig ist sie aber auch nichts, wovor man als Unternehmen oder Führungskraft Angst haben muss, denn man kann sie in der vertrauensvollen Zusammenarbeit besprechen und planen. Dafür bedarf es vor allem Einfühlungsvermögen für die individuelle Situation der Person.
Welche Ängste bestehen bei Menschen, sich im Arbeitskontext als trans* zu outen?
Als Mitarbeiter*in weiß ich nicht unbedingt, wie meine Organisation mit diesem Thema umgeht. Viele sorgen sich, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren könnten, weil die Transition schwierig wird oder weil es an Verständnis fehlt. Oder dass Veränderungen im Arbeitsumfeld passieren: Nimmt mich meine Firma vielleicht aus dem Kundenkontakt heraus, weil die Führungsebene nicht will, dass die Kund*innen mit mir konfrontiert werden? Solche Ängste gibt es oft.
Sie haben vor sieben Jahren beschlossen Ihre wahre Geschlechtsidentität öffentlich zu machen. Wohin haben Sie sich innerhalb der Bundeswehr gewandt?
Ich war damals in meiner Entscheidung schon relativ gefestigt. Fast zwei Jahrzehnte hatte ich gebraucht, um an diesen Punkt zu kommen. Mir war es daher wichtig, dass die Menschen in meinem Arbeitsumfeld schnell wussten, wer ich bin und wie ich gesehen werden möchte. Darum suchte ich das Gespräch mit meinem direkten Vorgesetzten und bin nicht an Stellen gegangen, die vielleicht dafür vorgesehen waren, wie zum Beispiel die Gleichstellungsbeauftragte. Da muss aber jede und jeder den Weg finden, der am besten passt. Inzwischen gibt es bei der Bundeswehr Leitlinien, an denen man sich orientieren kann.
Und wie ging es dann weiter?
Ich entwickelte mich in den Augen meiner Vorgesetzten schnell zur Expertin für das Thema Transgender. Das heißt, ich musste viel erklären, weil es natürlich auch sehr viel Neugierde und Interesse gab im Sinne von: Was bedeutet das für Sie? Aber auch: Sind Sie jetzt krank? Möchten Sie aus Ihrem Arbeitsbereich entfernt werden? Da war sehr viel Sorge zu spüren. Das hat mir persönlich nicht so gut gefallen, denn ich wollte meine Transition durchführen und gleichzeitig meine beruflichen Aufgaben erledigen und in meiner Karriere vorankommen.
Mit welchen Reaktionen hatten Sie gerechnet und zu welchen ist es dann gekommen?
Ein Grund, warum ich so lange mit mir gerungen hatte, lag tatsächlich darin, dass ich nicht wusste, wie mein Arbeitgeber reagieren würde. Es war für mich schwer abzuschätzen, ob ich weiterhin eine beruflich erfüllende Karriere machen könnte. Nach dem Outing hat es mir sehr geholfen, dass ich so viele verständnisvolle und fürsorgliche Vorgesetzte hatte, die ihrer Verantwortung nachgekommen sind. Insgesamt habe ich sehr viel Rückhalt gespürt.
Sie haben zum Ende Ihrer Transition Ihren Dienst als Bataillonskommandeurin übernommen und damit die Verantwortung für knapp 700 Soldat*innen. Wie haben die auf Sie reagiert?
Das war bei vielen bestimmt ein Thema. Aber wer befragt schon seine Chefin zu persönlichen und privaten Themen? Vieles hat sich im dienstlichen Miteinander geklärt. Und wer interessiert an mir und meiner Geschichte war, konnte mir auch Fragen stellen. Diese Offenheit auf meiner Seite war ein wichtiger Aspekt.
Hat es geholfen, dass Sie bereits 20 Jahre bei der Bundeswehr waren und einen höheren Rang innehatten?
Ich nehme an, dass ich aufgrund meiner Stellung und meines Alters manche Herausforderungen oder Äußerungen nicht erleben musste, der eine junge Soldatin eventuell ausgesetzt ist. Unabhängig von der Position im Unternehmen sollte eine Transition aber immer positiv verlaufen.
Was würden Sie Führungskräften empfehlen, wenn sich Mitarbeitende als trans* outen?
Zuhören und bedenken, dass in diesem Moment ein Mensch vor mir steht, der mir gerade sein Innerstes preisgibt. Also einfühlsam und empathisch sein und keine Panik bekommen – die Welt wird nicht zusammenbrechen. Und dann ist es wichtig, dass man schnell erkennt, dass man als Führungskraft eine Verantwortung für den oder die Mitarbeiter*in hat. Eine Transition ist ein komplexes Thema, das sehr viele Schritte umfasst, aber die können im Rahmen einer Organisation angegangen und gut gesteuert werden. Und: Offen an das Thema herangehen, denn wir sind alle unterschiedlich. Nur weil ich schon mal eine Transition begleitet habe, heißt das nicht, dass ich auch weiß, wie Nummer zwei und drei ablaufen werden.
Was sollte man als Führungskraft, Kolleg*in oder Mitarbeitende auf keinen Fall machen oder sagen?
Auf jeden Fall sollte man Distanz wahren und keine Fragen stellen, die unter die Gürtellinie gehen. Man sollte auch nicht auf etwas beharren, wie zum Beispiel darauf, dass der Geschlechtseintrag nicht oder noch nicht geändert sei. So nach dem Motto: Recht ist Recht und Gesetz ist Gesetz. Das heißt auch, den selbstgewählten Namen zu akzeptieren. Zuviel Fürsorge ist auch nicht gut. Ich wurde zum Beispiel mal gefragt, ob ich auf einen anderen Dienstposten möchte. Das war zwar gut gemeint, aber ich hatte kurz das Gefühl, dass man mich abschieben wollte. Und bitte keine Ratschläge geben, wie man in der neuen Geschlechtsrolle zu sein hat – das darf die Person für sich selbst entdecken und gestalten.
Und zum Abschluss: Was würden Sie trans* Menschen empfehlen, die sich noch nicht bei ihrer Arbeit geoutet haben?
Es kommt darauf an, warum sie das noch nicht getan haben, vielleicht gibt es gute Gründe dafür. Man sollte nicht naiv vorgehen, schließlich zeigen Studien, dass trans* Menschen im Vergleich zu anderen Gruppen besonders stark unter Diskriminierung im Arbeitsleben leiden. Wenn man noch kein Gefühl dafür hat, wie der eigene Betrieb damit umgehen wird, dann sollte man erst mal Informationen sammeln. Vielleicht lassen sich unter den Kolleg*innen oder auf der Führungsebene Allies, also Verbündete, finden, denn egal welche Strategien oder Ansprüche eine Organisation hat, es bleibt trotzdem noch immer ein gewisses Maß an Unsicherheit. Dem kann man als Arbeitgeber*in entgegen wirken, indem man mit Leitlinien arbeitet und eine wertschätzende Kultur innerhalb der Organisation schafft, die auch die Bedürfnisse von queeren Mitarbeitenden widerspiegelt und Vielfalt ermöglicht.
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