Führung 4 Minuten Lesezeit Rich­tig ein­ge­setzt ist hy­bri­de Ar­beit ei­ne große Be­rei­che­rung Startseite Themen Führung Führungskultur
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Johanna Bath ist Professorin an der ESB Business School und forscht zu Trends in der Arbeitswelt. Sie hat viele Jahre im Management eines führenden Automobilkonzerns gearbeitet und gilt als Expertin für hybrides Arbeiten. Im Interview mit INQA erklärt Johanna Bath, worauf es bei hybrider Führung ankommt, wie Unternehmen für sich das passende Arbeitsmodell finden und was Branchen tun können, in denen mobiles Arbeiten nicht möglich ist.

Wie definieren Sie hybride Arbeit?

Nach meiner Definition geht es bei hybrider Arbeit darum, die Arbeitsform und auch den Arbeitsort zu finden, die für eine bestimmte Tätigkeit am besten sind. Das kann der Ort des Arbeitgebers oder das Homeoffice sein, aber vor allem sehe ich großes Potenzial darin, an dritten Orten zu arbeiten. Ich kann beispielsweise enger und integriert mit meinen Kund*innen zusammenarbeiten, indem ich zeitweise an ihrem Standort arbeite oder am Standort meines Lieferanten. Vielleicht bietet sich auch eine Forschungseinrichtung an, die gerade zu einem Thema forscht, das für mich interessant ist. Genauso gut kommen auch Coworking Spaces in Frage, die Bahn oder das Hotelzimmer. Und ganz wichtig: Durch die örtliche Flexibilität ist auch die zeitliche Flexibilität in die Arbeitswelt gekommen.

Was sind dabei die Herausforderungen für Führungskräfte?

Die inhaltlichen Ansprüche an Führung haben sich nicht so sehr verändert, wie wir das vielleicht wahrnehmen. Viele Aspekte, die zu New Work gehören – eine Führung nach Zielen, Führung, die sich an den Stärken der Beschäftigten orientiert und dass wir viel mehr Feedback geben – bleiben bestehen. Allerdings könnten Probleme, die es eventuell im Führungsstil gibt, durch hybrides Arbeiten verstärkt werden. Denn jetzt muss ich wirklich nach Zielen führen. Ich muss plötzlich die Mitarbeitenden mit konstruktivem Feedback empowern, damit sie eigenständig Ergebnisse erreichen. Ich kann nicht mehr in dem Maße auf Zuruf führen, wie das in der Vergangenheit manchmal praktiziert wurde. Der zweite Punkt ist, dass die Mitarbeitenden weniger Kontext haben, sie sehen das Unternehmen seltener. So wird die Führungskraft zu einem stärkeren Kontaktpunkt, deshalb sollte sie gezielter kommunizieren. Auch die Unternehmensleitung muss sich Gedanken machen, wie sie Informationen über die Führungskraft hinaus wirksamer an die Beschäftigten bringt. Stichwort: zentralisierte Kommunikation. Das ist viel wichtiger geworden als in der Vergangenheit.

Wie könnte zentralisierte Kommunikation aussehen?

Zunächst einmal muss ich unterscheiden: Informelle Kommunikation – also die an der Kaffeemaschine – hat einen anderen Wert, sie tut viel auf der emotionalen Ebene und sorgt für Bindung und Kontext. Für Arbeitsinformationen, die ich brauche, um meinen Job zu erledigen, ist sie jedoch nicht geeignet. Für die zentralisierte Kommunikation gibt es viele Wege – das hängt von der Unternehmenskultur ab. Es gibt beispielsweise Betriebe, die sehr erfolgreich Community-Apps einführen, die wie ein kleines soziales Netzwerk funktionieren.

Eine andere Möglichkeit ist es, Führungskräften Talking Points an die Hand zu geben, und zu sagen: Wenn ihr euer Teammeeting macht, stellt bitte sicher, dass ihr diese drei Punkte auf jeden Fall weitergebt. Was auch gut funktioniert, sind virtuelle All-Hands Meetings (Mitarbeiter*innenversammlungen, Anm. d. Red). Damit schafft man regelmäßig ein Zeitfenster, in dem die Unternehmensleitung direkt informiert und die Beschäftigten Fragen stellen können.

Welche Chancen bieten hybride Arbeit und virtuelle Führung? Welche guten Unternehmensbeispiele fallen Ihnen hier ein?

Es ist wichtig, dass sich Betriebe Gedanken über ihre Strategie machen und darüber, wie sie diese in ein entsprechendes Arbeitsmodell umsetzen können. Die Sparda-Bank beispielsweise hat aufgrund von geringer Anwesenheit ihre Zentrale stark verkleinert. Anstatt die Mitarbeitenden zurück ins Büro zu holen, hat das Unternehmen in vielen Filialen kleine Coworking Spaces eingerichtet, sodass Beschäftigte in fast jeder beliebigen Bankfiliale arbeiten können. Da sorgt die Präsenz dafür, dass sie bereichernden Kontakt mit Kolleg*innen haben, die ihre digitalen Banking-Produkte anwenden. Ein anderes Unternehmen, mit dem ich im Austausch bin, ist das Traditionsunternehmen Ruck aus dem Schwarzwald, das Fußpflege-Produkte herstellt. Das Unternehmen hat eine neue Zentrale gebaut und sehr modern gestaltet. Dort finden regelmäßig Schulungen statt, wie man die physischen Produkte einsetzt. Das heißt, die Mitarbeitenden haben dort einen Ort des Austausches. Hier kommt eher ein präsenzgetriebenes Hybridmodell in Frage.

Was bedeutet das für Berufe, die an eine physische Präsenz gebunden sind? Entsteht hier ein Ungleichgewicht?

Auch hier können sich die Unternehmen mit dem Thema New Work befassen. Denn auch sie können viel tun, um den Arbeitsplatz angenehmer zu gestalten oder mehr Mitbestimmung zu ermöglichen. Überstundenausgleich, flexiblere Schichtzeiten und planbarere Arbeitszeiten sind hier wichtige Instrumente. Wenn wir uns die Frage nach Ungleichgewicht stellen, müssen wir eins bedenken. Wenn wir uns z. B. die Pflegebranche anschauen: Ganz viele Menschen, die gezielt über eine Ausbildung in den Beruf gekommen sind, haben sich bewusst so entschieden. Sie möchten nicht acht Stunden am Tag am Computer sitzen, sondern mit Menschen zusammenarbeiten. Das ist aus meiner Sicht eine sehr akademische Diskussion. In Betrieben, in denen das gemischt ist, würde ich auf jeden Fall darauf achten, dass für die Mitarbeitenden mit Kundenkontakt keine Verschlechterung dadurch eintritt, dass die anderen hybrid arbeiten können.

Wie sehen die Herausforderungen bei den Mitarbeitenden aus?

Die Anforderungen an die Mitarbeitenden sind definitiv gestiegen. Wir sind von einer eher physisch geprägten Arbeitswelt in einen Digital Workspace geworfen worden. Das ändert sich nicht mehr, auch wenn ich alle Mitarbeitenden in Präsenz wieder hereinhole. Digitale Kollaborationstools sind fest in unseren Arbeitsalltag verankert. Ein wichtiges Thema ist hierbei, wie effizient wir zusammenarbeiten – beispielsweise wird Software oft nicht zum Teilen und Bearbeiten von Dokumenten genutzt, sondern es werden E-Mails hin und her geschickt. Zusätzlich müssen wir uns in einem freien Arbeitsumfeld besser selbst managen. Es kommt zu deutlich mehr Stress und mehr Work Life Blending. Das heißt, dass man öfter zwischen beruflichen und privaten Tätigkeiten wechselt. Das ist sehr anstrengend für das Gehirn.

Wie kann die Zukunft der Arbeit aussehen?

Die jetzige Stufe der digitalen Kollaboration ist in meinen Augen die Vorbereitung, auf eine weitere Automatisierung unserer Arbeit. Wenn wir erst einmal eine strukturierte digitale Ablage haben, dann können wir über digitale Assistenten nachdenken. Das ist für mich auf jeden Fall eine positive Veränderung in Richtung digital gestützter Arbeit, die in dem Ausmaß nie gekommen wäre, wenn wir Corona nicht gehabt hätten. Wir werden es erleben, dass jeder von uns einen KI-gestützten digitalen Assistenten haben wird, der im Grunde schon Aufgaben vordenkt, Dokumente heraussucht, bevor wir überhaupt mit der Aufgabe anfangen. Wir werden noch Quantensprünge erleben, davon bin ich fest überzeugt – auch wenn wir im Moment noch nicht einmal die ersten zehn Prozent von dem ausschöpfen, was möglich ist.

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