Nach längerer Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit kann es für Beschäftigte schwierig sein, in das Arbeitsleben zurückzukehren. Die stufenweise Wiedereingliederung (STWE), auch bekannt als „Hamburger Modell“, erleichtert den Neustart. Der Ursprung des Begriffs ist nicht eindeutig geklärt. Einigen Quellen zufolge geht er auf eine Rehabilitations-Station am Timmendorfer Strand zurück, die mit der Uniklinik in Hamburg-Eppendorf zusammen gearbeitet hat. Andere Quellen verorten seinen Ursprung nicht in der Hansestadt, sondern bei Siemens in München. Dort habe man Anfang der 70er Jahre erkannt, dass es zielführender sei, wenn Beschäftigte nach längerer Krankheit in einem zeitlich gestuften Rahmen die Arbeit wieder aufnehmen. Aufgrund ihres Erfolgs sei die Maßnahme später vom Gesetzgeber adaptiert worden.
Ziele der stufenweisen Wiedereingliederung (STWE)
Ziel des Hamburger Modells ist es, einen Weg aus der Arbeitsunfähigkeit zu ermöglichen, in dem die Arbeitsbelastung schrittweise erhöht wird. So sollen Mitarbeitende nach und nach ihre Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit wiedererlangen und vollständig in den Arbeitsalltag integriert werden. Manche Beschäftigte, die krankheitsbedingt viele Wochen nicht im Arbeitsalltag waren, leiden unter Versagensängsten oder haben Sorge, dass sich ihr Gesundheitszustand durch die Arbeit wieder verschlechtern könnte. Die stufenweise Wiedereingliederung ermöglicht es, solche Ängste und Sorgen abzubauen und sich im eigenen Tempo an die eigene Belastungsgrenze heranzutasten. Die Mitarbeiter*innen können die Wiedereingliederung jederzeit abbrechen, um eine Überforderung am Arbeitsplatz zu vermeiden.
Was sind die Voraussetzungen?
Um eine STWE nach dem Hamburger Modell durchführen zu können, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Ärtztliches Fachpersonal hat die Arbeitsunfähigkeit der erkrankten Person festgestellt.
- Betroffene können die Arbeitsaufgaben zumindest teilweise verrichten.
- Eine medizinische Fachperson hat bestätigt, dass die volle Arbeitsfähigkeit wiedererlangt werden kann.
- Beschäftigte sind mit der Durchführung der STWE einverstanden.
Wie lange dauert die stufenweise Wiedereingliederung?
Für Vollzeitbeschäftigte gilt: Zu Beginn der beruflichen Wiedereingliederung ist eine Arbeitsbelastung von mindestens zwei Stunden pro Arbeitstag die Regel. Sie wird über einen Zeitraum von vier bis acht Wochen stufenweise erhöht bis der*die Arbeitnehmer*in die bisherige Tätigkeit wieder im bisherigen Umfang ausüben kann. Bei Teilzeitbeschäftigten ist eine entsprechend geringere Abstufung der Arbeitszeit möglich.
Der Stufenplan ist jedoch nicht in Stein gemeißelt: Er kann im laufenden Betrieb modifiziert werden. Wenn der*die Betroffene die Belastung bei der Arbeit als zu groß empfindet, können Arbeitgeber*innen und Mitarbeiter*in die Stundenzahl verringern oder die Arbeitsbelastung reduzieren. Fühlt sich der*die Mitarbeiter*in während der Arbeit einmal nicht wohl, kann er*sie jederzeit nach Hause gehen.
In einem Zeitraum von vier Wochen wird die Arbeitsbelastung stufenweise erhöht.
Die ersten Woche beginnt mit mit zwei Stunden Arbeitszeit.
In der zweiten Woche steigt die Arbeitszeit um eine Stunde, auf insgesamt drei Stunden Arbeitszeit.
In der dritten Woche erhöht sich die Arbeitszeit erneut um eine Stunde, auf insgesamt vier Stunden Arbeitszeit.
In Woche vier wird die Arbeitszeit um eine weitere Stunde, auf dann 5 Stunden insgesamt erhöht.
In der darauffolgenden Woche fünf steigt die tägliche Arbeitszeit dann auf sechs Stunden an.
In Woche sechs werden bereits sieben Stunden erreicht, ehe in den Wochen sieben und acht die Arbeitszeit auf acht Stunden gesteigert wird.
Durchführung in der Praxis: Der Wiedereingliederungsplan
Unternehmen, Beschäftigte und ärztliches Fachpersonal erarbeiten gemeinsam einen Plan für die stufenweise Rückkehr an den Arbeitsplatz. Dazu führen Personalverantwortliche zunächst ein Gespräch mit der medizinischen Fachperson. Sie vereinbaren beispielsweise die Dauer der Wiedereingliederungsmaßnahme und die wöchentliche Arbeitszeit. Mitarbeitende und ärztliche Fachperson besprechen die Art der Aufgaben, die in der Wiedereingliederungsphase bewältigt werden können. Wichtig ist, dass die Rückkehr schrittweise erfolgt. Die Vereinbarungen halten sie in einem Formular fest.
So vermeiden Sie Probleme
Funktioniert der gemeinsam aufgestellte Plan? Fühlt sich die Person bei der Arbeit wohl oder ist sie mit der Stundenzahl oder der Art der Aufgaben überfordert? Um solche Fragen zu klären, sollte es regelmäßige Feedbackgespräche mit der Führungskraft geben. So können alle Beteiligten mögliche Über- oder Unterforderungen frühzeitig erkennen und den Stufenplan entsprechend anpassen.
Bevor Beschäftigte das Hamburger Modell abbrechen, sollte unbedingt ein Gespräch mit einer medizinischen Fachperson stattfinden. Betriebsärzt*innen kennen die Belastungen und Anforderungen am Arbeitsplatz ebenso wie die Möglichkeiten, die Mitarbeitenden zu entlasten und den Stufenplan anzupassen.
Wenn die betroffene Person sieben Tage in Folge nicht bei der Arbeit erscheint, gilt die Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell als abgebrochen. Beschäftigte können sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut beginnen, wenn er*sie sich dazu in der Lage fühlen.