Als Patricia Herrmann von der H&H Gerätebau GmbH vor ein paar Jahren Jahren bei der Bundesagentur für Arbeit eine Stellenanzeige für eine*n Kältetechnik-Mechatroniker*in schaltete, erhielt sie plötzlich viele Bewerbungen aus Marokko. Sie recherchierte zum Thema Kältetechnik in dem nordafrikanischen Land und erfuhr, dass man in der Stadt Nador eine schulische Ausbildung als Kältemonteur absolvieren kann. So entschied sich die Geschäftsführerin für den 24-jährigen Redouane Aissa, der dort seine Ausbildung abgeschlossen hatte. „Man hat gleich gemerkt, dass Herr Aissa etwas vom Fach versteht. Er hatte auch schon einen Deutschkurs in der Heimat absolviert.“ Herrmanns Unternehmen hat seinen Fokus auf Kältetechnik gelegt, also auf die Entwicklung von individuellen Kühlsystemen. In diesem Bereich herrsche ein genereller Fachkräftemangel, sagt sie. Der Beruf sei in Deutschland noch zu wenig bekannt.
Mit Ehrgeiz zum Ziel
Dank seiner mitgebrachten Qualifikation erhielt Redouane Aissa in Deutschland eine Teilanerkennung seines Berufs und konnte direkt bei H&H Gerätebau anfangen. Im Rahmen seiner Arbeit durchlief er eine betriebliche Anpassungsqualifizierung. Nach zwei Jahren bekam er die volle Anerkennung von der Handwerkskammer Ulm – seine Ausbildung ist nun gleichwertig zum Beruf des Mechatronikers für Kältetechnik. Er hat es geschafft, auch wenn ihm der Einstieg nicht leichtgefallen ist. „Die ersten Zeiten sind immer schwer. Ich musste mich erst an die Arbeitsweise in Deutschland gewöhnen, zum Beispiel ist hier der Umgang mit Gefahrstoffen strenger. Es gibt mehr Vorschriften, man muss mehr überprüfen. Aber ich bin drangeblieben. Und meine Kollegen haben mir viel erklärt und gezeigt, was für die Prüfung wichtig ist. Durch ihre Unterstützung und die Hilfe meiner Vorgesetzten habe ich mein Ziel erreicht“, sagt Redouane Aissa. Sein Fleiß hat Patricia Herrmann beeindruckt. „Ich würde wieder eine*n Mitarbeiter*in aus dem Ausland an Bord holen, es ist eine gute Möglichkeit, Fachkräfte zu finden. Wir haben hier in Deutschland die Arbeitsplätze und sollten Menschen, die so ehrgeizig sind, eine Chance geben.“
Einarbeitung ist keine Einbahnstraße
Herrmann würde branchenübergreifend allen Unternehmern dazu raten, diesen Schritt zu versuchen. Doch über eines sollte man sich im Klaren sein, sagt die Geschäftsführerin, die auch Personalerin ist: „Man kann die Einarbeitung nicht einfach laufen lassen, sondern sollte mit viel Fingerspitzengefühl beobachten, wie es läuft; nachfragen, wie es ihm geht, wie es mit der Wohnung vorangeht. Ich habe auch darauf geachtet, dass er beim Mittagessen nicht allein bleibt. Solche Dinge sind wichtig.“ Ihr Engagement hat sich gelohnt. Aissa Redouane möchte in Deutschland bleiben und sich fachlichweiterentwickeln.
Viel Vertrauen beim Einreiseprozess nötig
Auch Geschäftsführer Peter Schütte von der Elcotech Group setzt auf Beschäftigte aus dem Ausland, um dem demografischen Wandel zu begegnen und die Fachkräfte-Lücke zu schließen. Das Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen ist auf industrielle Elektromontage spezialisiert und beschäftigt gut 130 Mitarbeiter*innen. Inzwischen arbeiten hier Menschen aus 15 Ländern. Am Anfang musste sich Peter Schütte etwas in Geduld üben, bis seine erste Fachkraft aus dem Ausland einreisen konnte. „Das dauert mehrere Monate, in dieser Zeit braucht es besonders viel Vertrauen, dass es klappt, und zwar von beiden Seiten.“ Er unterstützt seine neuen Beschäftigten, die zum Beispiel aus Bosnien oder von den Philippinen kommen, bei der Einreise. „Ihre Unterlagen reichen wir bei der Handwerkskammer ein und bitten um Überprüfung der Gleichwertigkeit zu einem deutschen Berufsabschluss. Meistens fehlen noch ein paar Punkte, also erstellen wir einen Schulungsplan, damit sie später die volle Anerkennung erhalten.“
Unterstützung durch die Handwerkskammern
Mit Schulungsplan und Arbeitsvertrag können sie sich an die Botschaft wenden und Einreise und Aufenthalt beantragen. Mit jedem Mal sind Schütte und sein Team darin routinierter geworden. Anderen Unternehmen rät er, sich die Hilfe heranzuziehen, die es von den Kammern und Welcome Centern gibt. „Die Handwerkskammer war für uns ein Segen, weil sie uns dort Tipps gegeben haben, mit welchen Inhalten im Schulungsplan die Berufsanerkennung gut funktionieren könnte.“ Peter Schütte ist froh, neue Fachkräfte gefunden zu haben, seine Erfahrungen sind durchweg positiv. „Die Mitarbeiter*innen, die aus einem anderen Land für einen Job hierherkommen, lernen Deutsch und sind engagiert. Am Anfang bieten wir ihnen an, mit Kollegen aus ihrem Heimatland zusammen zu arbeiten, aber oftmals heißt es: ‚Nein, lass mich mit einem Deutschen zusammenarbeiten, dann lerne ich die Sprache schneller.‘“
Es geht nur gemeinsam
Auch die Bestands-Belegschaft leistet bei Elcotech ihren Beitrag, damit das Onboarding klappt. Das ist auch Schüttes zweiter Rat für KMU: „Das Thema sollte als erstes intern besprochen werden. Die Beschäftigten müssen erkennen, dass die neuen Kollegen eine Chance sind, weil sie dadurch mehr Unterstützung bei ihrer Arbeit bekommen.“ Seitdem das Team von Elcotech bunter geworden ist, gibt es dort auch eine Treff- und Kochecke, wo sich an manchen Abenden alle gern versammeln – die neueren sowie die langjährigen Mitarbeiter*innen.
Engagement zahlt sich aus
Recruiting und Onboarding von ausländischen Fachkräften können auch kleinere und mittlere Unternehmen gut bewältigen. Hilfreich ist hier auch die INQA-Checkliste. Man sollte genügend Zeit für Aufenthaltsgenehmigung und Berufsanerkennung einplanen und sich Unterstützung bei den Industrie- und Handelskammern, den Handwerkskammern sowie Welcome Centern suchen. In der Einarbeitungsphase ist es wichtig, dass Arbeitgebende auf die Bedürfnisse der Neuankömmlinge eingehen und auch für persönliche Fragen offen sind. Das Engagement, dass die Integration internationaler Fachkräfte erfordert, lohnt sich sowohl für die Unternehmen, weil sie somit langfristig offene Stellen besetzen können als auch für die Fachkräfte, die gut ankommen und sich nachhaltig integrieren.