„Woher kommen Ihre Eltern?“, „Haben Sie Vorerkrankungen?“ oder „Planen Sie Kinder?“ – Fragen wie diese können im Arbeitsleben Diskriminierung darstellen. Und diese ist untersagt. Denn das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt alle Menschen davor, aufgrund persönlicher Merkmale oder Einstellungen diskriminiert zu werden. Das umfasst insbesondere ethnische Herkunft, sexuelle Identität, Geschlecht, Alter, Religion und Behinderung. Gleichwohl ist die Arbeitswelt der Lebensbereich, in dem Menschen nach Studien am häufigsten Diskriminierung erleben. In einer repräsentativen Umfrage für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurden Menschen mit Diskriminierungserfahrung befragt. Knapp die Hälfte von ihnen gab an, wegen mindestens einem der obigen Punkte im Erwerbsleben diskriminiert worden zu sein. Fast ein Viertel der Befragten erlebte Diskriminierung bereits im Bewerbungsverfahren. Dabei greift das AGG auch bei Arbeitnehmer*innen: Der Schutz vor Diskriminierung beginnt bereits beim Einstellungsprozess – von der Stellenausschreibung bis zum Vorstellungsgespräch.
48,8 Prozent der Personen, die eine Diskriminierung erlebt haben, taten dies bei der Arbeit.
23,9 Prozent der Diskriminierungserfahrungen im Arbeitsleben wurden im Bewerbungs- oder Einstellungsverfahren gemacht.
Quelle: Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017)
Faire Chancen bei der Bewerbung: Warum sich diskriminierungssensibles Recruiting lohnt
Für Arbeitgeber*innen ist es deshalb zentral, die Fallstricke zu kennen und ihre Verfahren zu Bewerbung und Recruiting diskriminierungsfrei aufzustellen. Das gilt zum einen, weil es rechtlich geboten ist und sich Bewerber*innen im Falle einer Benachteiligung vor Gericht wehren können. Es gilt aber auch, um gerade in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels potenzielle Mitarbeitende nicht auszuschließen. Denn Betriebe mit einer offenen, auf Diversity setzenden Unternehmenskultur haben ein besseres Standing auf dem Arbeitsmarkt. Sie sind attraktiver für Fachkräfte und profitieren nachweislich von einem besseren Betriebsklima und der Vielfalt an Erfahrungen und Ideen.
6 Tipps für Arbeitgeber*innen, um Diskriminierung im Einstellungsverfahren zu vermeiden
Doch wie lässt sich konkret verhindern, dass Menschen im Bewerbungsverfahren benachteiligt und diskriminiert werden? Wertvolle Orientierung bietet hier die Publikation „Fair in den Job! Leitfaden für diskriminierungsfreie Einstellungsverfahren“ der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Der Leitfaden verdeutlicht, dass je nach Phase des Einstellungsverfahrens – Stellenausschreibung, Bewerber*innenauswahl, Vorstellungsgespräch – unterschiedliche Diskriminierungspotenziale lauern. Mit den folgenden sechs Tipps können Arbeitgeber*innen direkte und indirekte Diskriminierungen vermeiden:
Das AGG verlangt merkmalsneutrale Stellenausschreibungen. Benutzen Sie deshalb mindestens die männliche und weibliche Form oder – noch besser – sprechen Sie alle Geschlechter und sexuellen Identitäten an, etwa durch den Zusatz „m/w/d“ hinter der Berufsbezeichnung. Unzulässig sind zum Beispiel auch Altersgrenzen („Mitarbeitende bis 55 Jahre gesucht“) oder Formulierungen wie „Deutsch als Muttersprache“. Erbitten Sie stattdessen „verhandlungssichere Deutschkenntnisse“, sofern diese nötig sind. Sollten Sie Bilder verwenden, zeigen Sie eine heterogene Gruppe (statt nur weiße Frauen und Männer in Businesskleidung) oder eine Einzelperson, die nicht den gängigen Vorstellungen der Berufsgruppe entspricht.
Machen Sie in der Stellenbeschreibung deutlich, wie wichtig Diversity für Sie ist und formulieren Sie dies aktiv. Zum Beispiel: „Wir schätzen Vielfalt und begrüßen alle Bewerbungen – unabhängig von Geschlecht, Nationalität, ethnischer oder sozialer Herkunft, Religion, Behinderung, Alter und sexueller Orientierung.“
Indem Sie auf anonyme Bewerbungen setzen, sorgen Sie für eine Bewerber*innenauswahl, die lediglich auf Qualifikation beruht, da vorab keine Rückschlüsse auf die Person möglich sind. Sie können z. B. Onlinebewerbungsverfahren nutzen, bei denen nur Kompetenzen und Motivation erfasst werden, oder bei herkömmlichen Bewerbungen ausgewählte Aspekte schwärzen. Informieren Sie sich auch im Leitfaden für anonymisierte Bewerbungsverfahren der Antidiskriminierungsstelle.
Vier Augen sehen mehr als zwei: Überlassen Sie Auswahlprozesse und -kriterien nicht einer einzelnen Person, sondern verteilen Sie die Verantwortung auf mehrere Schultern. Computergestützte Bewertungsinstrumente helfen zudem bei der Standardisierung. Achten Sie jedoch darauf, dass die zugrundeliegenden Daten keine alten Diskriminierungen fortschreiben, z. B. indem die Technologie Männer bevorzugt, weil bislang mehr Männer in Führungspositionen arbeiten.
Strukturieren Sie Ihre Vorstellungsgespräche so, dass sie standardisiert und vergleichbar sind. Stellen Sie z. B. allen Bewerber*innen anhand einer Checkliste die gleichen Fragen zu tätigkeitsrelevanten Qualifikationen, Kenntnissen und Erfahrungen. Das hilft, die Rechtssicherheit bei der Bewerber*innenauswahl zu erhöhen, da allein die Qualifikation im Zentrum steht und nicht Persönlichkeitsmerkmale. Tabu sind Fragen nach Herkunft, Konfession, Kinderwunsch usw. Zudem ist es immer sinnvoll, wenn – sofern vorhanden – Betriebs- oder Personalrat, Gleichstellungsbeauftragte und Schwerbehindertenvertretung anwesend sind.
Studien belegen: Im Bewerbungsgespräch bewerten Personalverantwortliche Bewerber*innen häufig unbewusst umso besser, je ähnlicher sie ihnen sind. Hier hilft nicht nur eine breite Mischung des Auswahlgremiums, sondern vor allem die Schulung der an der Auswahl beteiligten Personen hinsichtlich Diskriminierungsrisiken.
Vielfalt am Arbeitsplatz ist ein Beitrag zum Unternehmenserfolg
Mit diesen sechs Maßnahmen legen Sie die Grundlagen dafür, Ihr Recruiting diskriminierungssensibel zu gestalten und Ihr Unternehmen vielfältig aufzustellen. Sie handeln damit nicht nur AGG-konform, sondern präsentieren sich auch als attraktive*r Arbeitgeber*in. Diskriminierungsfreiheit hört jedoch nicht nach Bewerbung und Einstellung auf, sondern verlangt stetiges Engagement im Arbeitsalltag. Nutzen Sie deshalb auch ein strategisches Diversitätsmanagement in Ihrem Betrieb, seien Sie solidarisch mit diskriminierten Kolleg*innen und zeigen Sie Haltung bei Diskriminierung am Arbeitsplatz.
Disclaimer: Die Inhalte dieses Artikels stellen keine Rechtsberatung dar und sollen lediglich als Vorschläge und Anregungen für ein diskriminierungssensibles Vorgehen in Einstellungsverfahren dienen.