Das Dienstleistungsnetzwerk Support berät seit mehr als zehn Jahren Unternehmen, die Menschen mit Behinderungen einstellen möchten oder bereits beschäftigen. Daniel Wiener ist dort Koordinator und unterstützt vor allem kleinere Betriebe in der Region Chemnitz und im Erzgebirge. Seine jahrelange Praxiserfahrung zeigt: Wenn man mit den Betrieben ins Gespräch kommt und ihnen aufzeigt, wie bereichernd Menschen mit Behinderung sind, werden diese für sie als Fachkräfte attraktiv. Aus einem einfachen Grund: „Menschen mit Behinderung besitzen mehr Arbeitskräftepotenzial als manche vielleicht annehmen. Sie sind genauso individuell und vielfältig wie nichtbehinderte Menschen.“
Warum Sie Behinderung bei der Stellenbesetzung in den Blick nehmen sollten
Was beim Blick auf MmB manchmal übersehen wird: Das Spektrum möglicher Beeinträchtigungen ist sehr weit. Es reicht von Muskel-Skelett-Erkrankungen über Diabetes oder Hörschädigungen bis zu psychischen Krankheiten. „Der Handwerksbetrieb kann z. B. einen Kollegen mit Diabetes einstellen. Dieser ist vermutlich genauso leistungsfähig in seiner Arbeit, braucht aber seine regelmäßigen Pausen, um Insulin zu spritzen.“ Das Vorurteil, dass Arbeitnehmer*innen mit Behinderung öfter krank seien oder weniger leisteten, könne Wiener jedenfalls nicht bestätigen. Im Gegenteil: MmB seien eine Bereicherung für alle Arbeitgeber*innen.
Hohe Motivation und Leistungsfähigkeit
Auch an der Motivation mangele es selten: „Nach meiner Erfahrung bringt der Großteil der Arbeitnehmenden mit Behinderung eine hohe Motivation mit. Das sind Menschen, die arbeiten wollen und können – und das auch beweisen möchten. Manchmal so sehr, dass sie sogar angehalten werden müssen, ihre Pausenzeiten einzuhalten“, betont Wiener. Aus diesem Grund sollten Unternehmen diese Gruppe beim Recruiting stärker in den Blick nehmen, auch um den eigenen Fachkräftebedarf zu decken. Sollten Anpassungen des Arbeitsplatzes nötig werden, etwa Umbauten, werden diese staatlich bezuschusst. Die Initative „Inklusion gelingt“ bietet einen umfassenden Überblick über die Fördermöglichkeiten für Unternehmen. Mögliche Minderleistungen von Arbeitnehmer*innen werden außerdem finanziell ausgeglichen, z. B. durch Lohnzuschüsse. „Und man darf dabei nicht vergessen, dass auch vermeintlich gesunde Beschäftigte nicht durchgängig leistungsfähig sind und durch Krankheit ausfallen können.“
Acht Tipps: So sprechen Sie MmB in Ihrer Stellenausschreibung richtig an
Doch wie rekrutiert man Menschen mit Behinderung am besten? Das beginnt bei passenden Stellenausschreibungen. Worauf Unternehmen dabei achten sollten, hat das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung gemeinsam mit der Aktion Mensch in einer Checkliste zusammengestellt, die auch Daniel Wiener empfehlen kann. Viele der Tipps können Unternehmen zudem grundsätzlich berücksichtigen, um ihr Recruiting diskriminierungsfrei aufzustellen. Die wichtigsten Punkte fasst INQA für Sie zusammen:
Weisen Sie in Ihrer Stellenanzeige explizit darauf hin, dass Bewerbungen von MmB besonders erwünscht sind. Verzichten Sie auf Formulierungen, die das Aussehen betreffen („gepflegtes Äußeres“), denn das diskriminiert Bewerber*innen, die z. B. sichtbare Verletzungen haben. Gleiches gilt bei Selbstbeschreibungen („Junges, fittes Team sucht…“).
Schutz vor Diskriminierung im Einstellungsverfahren
Eine inklusive Ansprache ist nur die halbe. Auf der anderen Seite sollten Sie auch rechtliche Vorgaben beachten, an die sich Arbeitgeber*innen halten müssen. So schreibt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor, dass Menschen u. a. aufgrund von Behinderung nicht diskriminiert werden dürfen – das gilt auch im Einstellungsprozess. Diskriminierende Formulierungen oder Anforderungen in Stellenausschreibungen sind daher unzulässig. Das soll MmB und schwerbehinderte Menschen vor Benachteiligung schützen und ihnen die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen.
Achten Sie auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungsgespräch
Im Bewerbungsgespräch selbst sind nur Fragen erlaubt, die in Bezug zur Stelle stehen. Sie können alles fragen, was die fachliche Fähigkeit sowie den beruflichen Werdegang betrifft. Nicht erlaubt sind jedoch Fragen wie "Liegt bei Ihnen eine Schwerbehinderung vor?" Bewerber*innen müssen diese nicht beantworten oder dürfen falsch antworten. Die Frage ist nur dann zulässig, wenn der konkrete Arbeitsplatz eine bestimmte körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit verlangt und eine Schwerbehinderung dem entgegenstehen würde.
Daniel Wiener empfiehlt hier einen anderen Weg: "Erkundigen Sie sich nicht pauschal nach einer Behinderung, sondern formulieren Sie es proaktiv und zugewandt. Zum Beispiel: 'Wir haben die Möglichkeit, den Arbeitsplatz anzupassen. Gibt es irgendetwas, wie wir die Stelle für Sie optimal gestalten können? Müssen wir in Sachen Arbeitsschutz etwas berücksichtigen?'“ So signalisieren Sie, dass die Person keine Belastung für Sie darstellt und Sie aufgeschlossen bei dem Thema sind. Denn eines sei auch klar, so Wiener: Der Arbeitsmarkt ist nicht mehr so, dass behinderte Arbeitnehmer*innen jede Stelle annehmen müssen.
Disclaimer: Die Inhalte dieses Artikels stellen keine Rechtsberatung dar und dienen lediglich als Vorschläge und Anregungen für ein diskriminierungssensibles Vorgehen in Einstellungsverfahren.